Statt sich zwischen ETFs und Einzelaktien entscheiden zu müssen, setzen immer mehr Anleger auf eine Kombination beider Anlageformen. Diese Hybridstrategien verbinden die Stärken beider Welten und können zu einem optimierten Rendite-Risiko-Verhältnis führen. In diesem Artikel zeigen wir, wie Sie ETFs und Einzelaktien erfolgreich kombinieren können.
Warum eine Kombination Sinn macht
Die Kombination von ETFs und Einzelaktien ermöglicht es Anlegern, die jeweiligen Vorteile beider Anlageformen zu nutzen:
Vorteile von ETFs:
- Breite Diversifikation mit einem einzigen Investment
- Niedrige Kosten
- Geringe Zeitanforderungen für die Verwaltung
- Automatische Anpassung an Marktveränderungen
- Steuervorteile durch Teilfreistellung
Vorteile von Einzelaktien:
- Potenzial für überdurchschnittliche Renditen
- Gezielte Investitionen in Unternehmen oder Sektoren mit besonderem Potenzial
- Keine Verwaltungsgebühren
- Flexibilität bei der Gewichtung einzelner Positionen
- Möglichkeit, steuerliche Aspekte individuell zu optimieren
Durch die geschickte Kombination können Sie ein Portfolio aufbauen, das stabiler ist als eine reine Einzelaktien-Strategie, aber gleichzeitig mehr Renditepotenzial bietet als ein reines ETF-Portfolio.
Die Core-Satellite-Strategie
Die bekannteste und am weitesten verbreitete Hybridstrategie ist der Core-Satellite-Ansatz. Hierbei wird das Portfolio in zwei Bereiche aufgeteilt:
Der Core (Kern)
Der Kern des Portfolios besteht aus breit diversifizierten ETFs, die eine solide Basis bilden. Typischerweise macht dieser Teil 60-80% des Gesamtportfolios aus. Für den Core eignen sich besonders:
- Weltweite Aktien-ETFs: MSCI World, FTSE All-World oder MSCI ACWI
- Regionale Basis-ETFs: S&P 500 (USA), EURO STOXX 50 oder STOXX Europe 600 (Europa)
- Bond-ETFs: Zur Risikoreduktion, je nach Risikoneigung des Anlegers
Der Core sorgt für Stabilität und bildet die Marktrendite ab. Durch die breite Diversifikation wird das Risiko einzelner Fehlentscheidungen reduziert.
Die Satellites (Satelliten)
Die Satelliten bestehen aus gezielt ausgewählten Einzelaktien oder spezialisierten Themen-ETFs und machen typischerweise 20-40% des Portfolios aus. Hier können Anleger ihre individuellen Überzeugungen und Expertise einbringen:
- Einzelaktien: Sorgfältig ausgewählte Unternehmen mit Wachstumspotenzial oder unterbewertete Qualitätsunternehmen
- Thematische ETFs: Für Sektoren oder Trends mit überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial (z.B. Technologie, erneuerbare Energien, Cybersecurity)
- Regionale Schwerpunkte: Fokussierte Investments in bestimmte Länder oder Regionen mit besonderen Chancen
Die Satelliten bieten die Chance auf Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt. Gleichzeitig ist das Risiko begrenzt, da diese Positionen nur einen kleineren Teil des Portfolios ausmachen.
Praktische Umsetzung einer Hybridstrategie
Schritt 1: Bestimmen Sie Ihre Vermögensallokation
Legen Sie basierend auf Ihren finanziellen Zielen, Ihrem Anlagehorizont und Ihrer Risikotoleranz fest, wie Ihr Portfolio auf verschiedene Anlageklassen aufgeteilt werden soll (z.B. 70% Aktien, 20% Anleihen, 10% Alternativen).
Schritt 2: Definieren Sie Ihr Core-Portfolio
Wählen Sie breit diversifizierte ETFs für Ihren Core-Bereich. Ein Beispiel könnte sein:
- 40% MSCI World ETF (entwickelte Märkte weltweit)
- 10% MSCI Emerging Markets ETF (Schwellenländer)
- 20% Anleihen-ETF (Staatsanleihen und Unternehmensanleihen)
Schritt 3: Identifizieren Sie Ihre Satellite-Investments
Für den Satellite-Bereich können Sie nun gezielt Einzelaktien oder spezialisiertere ETFs auswählen. Orientieren Sie sich dabei an Ihren persönlichen Kenntnissen und Überzeugungen. Beispiele:
- 10% in 5-8 ausgewählte Qualitätsaktien (2% pro Position)
- 10% in einen spezialisierten Sektor-ETF (z.B. Technologie oder Gesundheitswesen)
- 10% in einen thematischen ETF (z.B. Erneuerbare Energien, KI, Cybersecurity)
Schritt 4: Regelmäßiges Rebalancing
Um die gewünschte Vermögensstruktur beizubehalten, sollten Sie Ihr Portfolio regelmäßig überprüfen und anpassen. Ein jährliches Rebalancing ist in der Regel ausreichend, kann aber auch nach starken Marktbewegungen sinnvoll sein.
Spezielle Hybridstrategien
Die Barbell-Strategie
Bei diesem Ansatz konzentrieren Sie sich auf zwei Extreme: sehr sichere Investments (z.B. kurzlaufende Anleihen-ETFs) und sehr chancenorientierte Investments (z.B. ausgewählte Wachstumsaktien). Diese Strategie kann besonders in unsicheren Marktphasen sinnvoll sein.
Der Risk-Parity-Ansatz
Hierbei werden die verschiedenen Anlageklassen so gewichtet, dass jede etwa den gleichen Beitrag zum Gesamtrisiko des Portfolios leistet. ETFs dienen hier typischerweise als Basis für breit diversifizierte Anlageklassen, während Einzelaktien gezielt zur Optimierung des Risiko-Rendite-Verhältnisses eingesetzt werden können.
Die Factor-Core-Strategie
Bei dieser Variante besteht der Core aus Smart-Beta-ETFs, die auf bestimmte Faktoren wie Value, Growth, Momentum oder Quality ausgerichtet sind. Die Satelliten bestehen aus Einzelaktien, die diese Faktoren besonders stark repräsentieren oder andere spezifische Eigenschaften aufweisen.
Anpassung für verschiedene Anlegertypen
Für konservative Anleger
- Core: 80-90% des Portfolios, mit höherem Anteil an Anleihen-ETFs und defensiven Aktien-ETFs
- Satellites: 10-20%, fokussiert auf stabile Blue-Chip-Einzelaktien mit solider Dividendenhistorie
Für moderate Anleger
- Core: 70-80%, mit ausgewogener Mischung aus globalen Aktien-ETFs und qualitativ hochwertigen Anleihen-ETFs
- Satellites: 20-30%, mit einer Kombination aus Qualitätsaktien und ausgewählten Wachstumsaktien
Für chancenorientierte Anleger
- Core: 60-70%, hauptsächlich breite Aktien-ETFs mit gezielter Beimischung von Schwellenländer-ETFs
- Satellites: 30-40%, mit höherem Anteil an Wachstumsaktien und thematischen ETFs in zukunftsträchtigen Bereichen
Typische Fehler vermeiden
Überdiversifikation
Ein häufiger Fehler ist die Anhäufung zu vieler ETFs und Einzelaktien. Dies führt zu einer unnötigen Komplexität und verwässert oft die Performance. Besser ist ein fokussierter Ansatz mit einer überschaubaren Anzahl sorgfältig ausgewählter Investments.
Mangelnde Strategie bei Einzelaktien
Satellite-Investments sollten einer klaren Strategie folgen und nicht aus Impulskäufen bestehen. Definieren Sie Kriterien für die Auswahl und das Verkaufen von Einzelaktien.
Vernachlässigung des Rebalancings
Ohne regelmäßiges Rebalancing können erfolgreiche Satellite-Positionen überproportional wachsen und das Risikoprofil des Portfolios verändern. Ein diszipliniertes Rebalancing hilft, die gewünschte Struktur beizubehalten.
Fazit
Hybridstrategien, die ETFs und Einzelaktien kombinieren, bieten einen ausgewogenen Ansatz für moderne Anleger. Sie verbinden die Effizienz und Diversifikation von ETFs mit dem Potenzial für überdurchschnittliche Renditen durch ausgewählte Einzelaktien.
Der Core-Satellite-Ansatz ist dabei besonders praktikabel, da er eine stabile Basis mit gezielten Chancen kombiniert. Die genaue Ausgestaltung sollte jedoch immer an die individuellen Ziele, die Risikotoleranz und den Anlagehorizont angepasst werden.
Letztendlich geht es nicht um ein "Entweder-oder" zwischen ETFs und Einzelaktien, sondern um das "Sowohl-als-auch" – eine intelligente Kombination, die das Beste aus beiden Welten vereint.