Steuerliche Aspekte bei ETFs und Einzelaktien in Deutschland

Steuerliche Aspekte

Die steuerliche Behandlung von Kapitalanlagen hat einen erheblichen Einfluss auf die Nettorendite Ihrer Investments. In Deutschland gelten für ETFs und Einzelaktien spezifische Steuerregeln, deren Kenntnis für eine steuereffiziente Anlagestrategie entscheidend ist. In diesem Artikel vergleichen wir die steuerlichen Aspekte beider Anlageformen.

Die Grundlagen der Kapitalertragsteuer in Deutschland

Seit der Einführung der Abgeltungssteuer im Jahr 2009 werden Kapitalerträge in Deutschland einheitlich mit einem Steuersatz von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5% der Steuer) und gegebenenfalls Kirchensteuer besteuert. Der effektive Steuersatz beträgt damit etwa 26,375% (ohne Kirchensteuer).

Für alle Anleger gilt ein jährlicher Sparerpauschbetrag (Freibetrag) von 1.000 Euro pro Person (ab 2023: 2.000 Euro pro Person) bzw. 2.000 Euro bei gemeinsamer Veranlagung von Ehepaaren (ab 2023: 4.000 Euro). Erträge innerhalb dieses Freibetrags bleiben steuerfrei.

Besteuerung von Einzelaktien

Dividenden

Dividendenzahlungen von Aktien unterliegen in Deutschland der Abgeltungssteuer. Bei ausländischen Aktien wird häufig bereits im Quellenstaat eine Quellensteuer einbehalten. Je nach Doppelbesteuerungsabkommen kann diese teilweise auf die deutsche Steuer angerechnet werden, meist bis zu 15%.

Kursgewinne

Gewinne aus dem Verkauf von Aktien werden ebenfalls mit der Abgeltungssteuer belastet. Dabei gilt:

  • Verluste aus Aktienverkäufen können nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden (Aktienverrechnungstopf).
  • Eine Verrechnung mit anderen Kapitalerträgen wie Zinsen oder Dividenden ist nicht möglich.
  • Nicht ausgeglichene Verluste können in Folgejahre vorgetragen werden.

Diese strikte Trennung bei der Verlustverrechnung ist ein wichtiger steuerlicher Nachteil bei Einzelaktien.

Besteuerung von ETFs

Die Besteuerung von ETFs wurde mit der Investmentsteuerreform 2018 grundlegend geändert. Seither wird zwischen ausschüttenden und thesaurierenden ETFs nur noch bedingt unterschieden.

Die Vorabpauschale

Eine Besonderheit bei thesaurierenden ETFs (und Fonds) ist die sogenannte Vorabpauschale. Sie stellt sicher, dass auch bei nicht-ausschüttenden Fonds eine Mindestbesteuerung stattfindet. Die Vorabpauschale:

  • Wird jährlich auf Basis des Basiszinses (festgelegt durch das Bundesfinanzministerium) berechnet
  • Ist auf den tatsächlichen Wertzuwachs des Fonds im Kalenderjahr begrenzt
  • Wird bei späterem Verkauf berücksichtigt, um Doppelbesteuerung zu vermeiden

In Niedrigzinsphasen (wie seit 2019) fällt die Vorabpauschale sehr gering aus oder entfällt komplett bei negativem Basiszins.

Teilfreistellung

Ein wichtiger Vorteil von ETFs gegenüber Einzelaktien ist die sogenannte Teilfreistellung. Je nach Fondstyp bleibt ein bestimmter Prozentsatz der Erträge steuerfrei:

  • Aktienfonds (Aktienquote mindestens 51%): 30% Teilfreistellung
  • Mischfonds (Aktienquote mindestens 25%): 15% Teilfreistellung
  • Immobilienfonds: 60% Teilfreistellung (80% bei überwiegend ausländischen Immobilien)

Diese Teilfreistellung ist ein erheblicher steuerlicher Vorteil für ETF-Anleger, da sie die effektive Steuerlast deutlich reduziert. Bei Aktienfonds mit 30% Teilfreistellung sinkt der effektive Steuersatz von 26,375% auf etwa 18,46%.

Verlustverrechnung bei ETFs

Anders als bei Einzelaktien können Verluste aus ETF-Verkäufen mit allen anderen Arten von Kapitalerträgen verrechnet werden (außer mit Verlusten aus Aktienverkäufen). Dies bietet mehr Flexibilität bei der steuerlichen Optimierung.

ETFs vs. Einzelaktien: Steuerlicher Vergleich

Steuervorteile von ETFs

  • Teilfreistellung: 30% der Erträge bei Aktienfonds sind steuerfrei
  • Flexible Verlustverrechnung: Verluste können mit verschiedenen Kapitalertragsarten verrechnet werden
  • Geringere Quellensteuerproblematik: Bei internationalen Investments oft steuerlich effizienter
  • Steuerstundungseffekt: Bei thesaurierenden ETFs werden Erträge innerhalb des Fonds reinvestiert, was einen Steuerstundungseffekt erzeugen kann

Steuervorteile von Einzelaktien

  • Keine Vorabpauschale: Keine Besteuerung nicht realisierter Gewinne
  • Gezielte Verlustfestschreibung: Strategische Steuerplanung durch gezieltes Realisieren von Gewinnen und Verlusten
  • Direktes Ausnutzen von Doppelbesteuerungsabkommen: Bei internationalen Aktien kann dies in bestimmten Konstellationen vorteilhaft sein

Strategien zur Steueroptimierung

Für alle Anlageformen

  • Ausnutzen des Sparerpauschbetrags: Freistellungsauftrag bei der Bank einrichten oder Verlustbescheinigung für die Steuererklärung nutzen
  • Verlustverrechnung: Strategisch Gewinne und Verluste realisieren, um Steuerzahlungen zu optimieren
  • Steuerstundungseffekt nutzen: Je länger Gewinne unversteuert bleiben können, desto mehr profitieren Sie vom Zinseszinseffekt

Spezifisch für ETFs

  • Teilfreistellung nutzen: Bei der Wahl zwischen thematischen ETFs darauf achten, dass die Aktienquote über 51% liegt, um die volle Teilfreistellung zu erhalten
  • Ausschüttende vs. thesaurierende ETFs: Je nach persönlicher Situation kann eine Form steuerlich günstiger sein:
    • Ausschüttende ETFs eignen sich zum Ausnutzen des Sparerpauschbetrags
    • Thesaurierende ETFs können bei bereits ausgenutztem Sparerpauschbetrag vorteilhaft sein

Spezifisch für Einzelaktien

  • Tax-Loss Harvesting: Strategisches Verkaufen von Verlustpositionen zum Jahresende, um Gewinne steuerlich auszugleichen
  • Direkte ausländische Aktien: In bestimmten Fällen können direkte Investments in ausländische Aktien steuerliche Vorteile bieten, besonders bei Dividendenstrategien

Steuerliche Aspekte des Portfolioaufbaus

Bei der Kombination von ETFs und Einzelaktien können Sie steuerliche Synergieeffekte nutzen:

  • Kernportfolio aus ETFs: Nutzen Sie die Teilfreistellung und breite Diversifikation
  • Satellitenportfolio aus Einzelaktien: Hier können Sie gezielter Verluste realisieren oder spezifische steuerliche Situationen ausnutzen
  • Unterschiedliche Depots: Überdenken Sie die Verteilung auf verschiedene Depots (z.B. Standarddepot und Altersvorsorgedepot), da hier unterschiedliche steuerliche Regeln gelten können

Fazit

Die steuerlichen Unterschiede zwischen ETFs und Einzelaktien sind komplex und können einen erheblichen Einfluss auf Ihre Nettorendite haben. Generell bieten ETFs durch die Teilfreistellung einen strukturellen steuerlichen Vorteil, während Einzelaktien mehr Flexibilität bei der gezielten Steueroptimierung ermöglichen.

Für die meisten Anleger ist eine Kombination beider Anlageformen nicht nur aus Rendite- und Risikogesichtspunkten, sondern auch aus steuerlicher Perspektive sinnvoll. Dabei sollten Steueraspekte zwar berücksichtigt werden, aber nicht die alleinige Grundlage für Investitionsentscheidungen bilden.

Da sich steuerliche Regelungen ändern können und individuelle Situationen unterschiedlich sind, empfiehlt sich bei komplexeren Konstellationen die Beratung durch einen Steuerexperten.